Tina Tönjes

Thorsten MilenzFragen an Tina Tönjes vom Urlaubsland Wesermarsch und Thorsten Milenz vom Kulturland Teufelsmoor:

Zum Einstieg: Wo startet der 444 Kilometer lange Rundweg „Vom Teufelsmoor zum Wattenmeer“ klassischerweise?

Tina Tönjes: Wir empfehlen den Bremer Hauptbahnhof als Startpunkt zu wählen und dann gegen den Uhrzeiger die Route zu befahren. Aufgrund der zahlreichen Bahn- und Busanbindungen entlang der Strecke und der attraktiven Alternativrouten sind auch individuelle Tages- und Mehrtagestouren mit an-derem Einstieg möglich.

Thorsten, dein Herz schlägt besonders für das Teufelsmoor. Was ist einzigartig an dieser Landschaft?

Mit dem Teufelsmoor wird wegen des Namens oft eine karge, schaurige Landschaft assoziiert. Teilweise wird das bei winterlichem Morgennebel auch eingelöst. Wenn der Nebel in der frühen Sonne aufsteigt und dann noch Kraniche durch die Szenerie fliegen, bekommt man eine Ahnung von der Einzigartigkeit dieser einst größten zusammenhängenden Moorlandschaft Nordwestdeutschlands, die heute wieder umfangreich geschützt wird. Das Tolle ist, dass sie fast überall auch erlebbar ist, sei es bei einer Fahrt im historischen Torfkahn, mit dem Kanu, beim Wandern oder eben mit dem Fahrrad. Dazu kommt natürlich das lebendige Kulturerbe der Künstlerkolonie Worpswede, das immer auch mit dieser Landschaft verbunden ist. Vor dem Hintergrund der Worpsweder Kunst gewinnt man einen völlig anderen Blick für die reale Kulturlandschaft.

Tina, du leitest die Touristikgemeinschaft Wesermarsch. Was fasziniert dich an der Natur dieser Region?

Das Wechselspiel zwischen grün und blau ist bei uns ein ganz besonderes. Die Wesermarsch ist an drei Seiten von Wasser umgeben und von zahlreichen Sielen und Gräben durchzogen. Egal wo man steht, sieht man blaues Wasser. Dreht man sich um, hat man die weite grüne Landschaft vor sich. Hier wechselt sich Marsch mit Geest und Moor ab. Zwischendrin einige kleine Wälder und dann wieder Grünflächen mit Pferden, Kühen und Schafen. Und immer am Horizont: unser Deich!

Könnt ihr sagen, was die Region Nordsee-Elbe-Weser über das Teufelsmoor und die Wesermarsch hinaus ausmacht? Was zeichnet das Alte Land und das Wattenmeer besonders aus?

Tina Tönjes: Die Landschaft ist ähnlich und doch abwechslungsreich. Im Alten Land warten die meisten Obstbäume Europas auf die Radfahrer. Wenn man während der Obstblüte durch das Land fährt, wird man fast berauscht von dem Blütenduft. Im Herbst kann man an jeder Ecke jegliche Variante des Apfels bekommen. Während des Jahres erlebt man, wie die Natur sich ändert und uns ihre Produkte schenkt. Im Wattenmeer erlebt man die Veränderung täglich. Jeden Tag sieht der Boden bei Ebbe anders aus mit seinen kleinen Rillen. Wenn man am Strand in Cuxhaven steht und auf den Nationalpark Wattenmeer blickt, kann man die Unendlichkeit des Meeres erahnen. Bei einer Wattwanderung erlebt man den Meeresboden mit seinen Füßen. Im Süden der Radstrecke durch den Landkreis Rotenburg ist man fern der Marsch und der Geest. Man fährt durch Wälder und kann bereits einen kleinen Einblick in die Heide gewinnen.

Mal ehrlich: Seid ihr beide die komplette Tour schon mal mit dem Fahrrad gefahren? Wenn ja, wie habt ihr das erlebt?

Tina Tönjes: Also, ich kenne große Teilstrecke und die Regionen sehr gut, bin den kompletten Weg aber noch nicht abgeradelt. Aber was nicht ist, kann ja sehr schnell werden!
Thorsten Milenz: Tatsächlich bin ich den kompletten Rundkurs schon zweimal gefahren, einmal quasi als Großfamilie mit Teilnehmern zwischen 5 und 65. Das war kurz nach der Eröffnung 2003 und trotz anfänglicher Bedenken, weil die Route ja viel naturnäher geführt ist als vergleichbare Stecken, hat das erstaunlich gut geklappt. Besonders lebhaft erinnern kann ich mich noch an eine sehr skurrile, aufgrund einer Etappenänderung spontan gebuchten Unterkunft im Alten Land. In dem sehr großen Gebäude auf einem alten Gehöft hingen einige recht düster gehaltene historische Ahnenportaits der Gastgeberfamilie, vor denen sich meine damals noch sehr jungen Neffen sehr gefürchtet haben. Wir lachen noch heute gemeinsam darüber! Der zweite Anlauf ist auch schon wieder fünf Jahre her und war eher sportlicher Natur. Was mir noch fehlt, ist die komplette „Beradelung“ des neuen Abschnitts in der Wesermarsch, den ich nur teilweise kenne. Das wird bald geändert.

Das Wegenetz ist gut ausgeschildert. Eignen sich die Routen auch für ungeübtere Radfahrer und E-Biker?

Tina Tönjes: Die Route ist angenehm zu fahren. Es ist ein Weg, der durch die Natur führt. Natürlich ist daher der Weg auch nicht immer asphaltiert, sondern teilweise auch naturnah angelegt. Trotzdem ist die Befahrbarkeit garantiert, auch mit dem E-Bike. Man sollte nur nicht zu schnell rasen, da man sonst die
herrlichen Blicke in die Landschaft verpasst.

Der weiße Kiebitz auf blau-grünem Grund führt Besucher bequem ans Ziel. Inwieweit steht der elegante Vogel für die Region?

Tina Tönjes: Der Kiebitz bevorzugt offenes, flaches und feuchtes Grünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen. In der Landschaft zwischen Nordsee, Elbe und Weser findet er damit das beste Revier. Er liebt die Natürlichkeit und ist seiner Region treu. Die gleichen Adjektive kann man auch für unsere naturnahe und sympathische Region verwenden.

Thorsten Milenz: Deshalb hat der NABU, der am Konzept und der Routenführung mitgewirkt hat, den Kiebitz quasi als Wappentier ausgewählt, und er wurde ins Logo integriert. Außerdem geht es auch um den Aspekt, den Menschen die bedrohte Natur näher zu bringen. Nur was man kennt, erfährt eine Wertschätzung. Besonders gefreut habe ich mich, als ich kürzlich (ungelogen!) den auf der Liste der bedrohten Arten geführten Vogel nach vielen Jahren wieder einmal entlang der Route angetroffen habe. Das war zwischen Vollersode und Gnarrenburg, und das gleich mehrmals.

Welche Tiere können Radler noch sehen? Und was ist für Kinder auf dieser Tour interessant?

Tina Tönjes: Man könnte vielleicht besser fragen: was sieht man nicht? Auf der Tour kommt man vorbei an Pferden und Wildpferden, Schafen, Kühen, aber auch an Wasserbüffeln und den ursprünglichen Galloway-Rindern. Für die Sichtung von Zugvögeln wie dem Kranich empfiehlt sich der Vogelkieker-Bus im Landkreis Stade. Im Wattenmeer trifft man auf Wattwürmer, Krabben und Muscheln. In den Mooren bekommt man Kleinstlebewesen zu sehen. Beim Wandern trifft man auf Hasen, Rehe und Igel. Das macht die Tour auch für Kinder so spannend. Dazu kommen noch die Highlights wie das Bauernhofklassenzimmer in Langenhausen, das Küstenschiffahrts-Museum in Wischhafen, der Spielpark in der Wingst, der Zoo am Meer, das Klimahaus in Bremerhaven und die Storchenpflegestation in Berne.

Neben Naturerlebnissen locken auch alte Hansestädte, maritime Metropolen und idyllische Dörfer die Besucher an. Nennt bitte jeder persönliche kulturelle Highlights auf der Route. Am liebsten natürlich verschiedene…

Tina Tönjes: Milchshake in einem Melkhus entlang der gesamten Strecke und der Sonnenuntergang in Sehestedt.

Thorsten Milenz: Bei mir ist es auch ein Sonnenuntergang: der über dem Hammestrand bei Neu Helgoland im Teufelsmoor. Außerdem mag ich besonders den rauen Charme von Bremen-Nord. Die Ausstellungen
im Overbeck-Museum haben oft einen – historisch bedingten
Bezug zu meinem Heimat-„Weltdorf“ Worpswede. Außerdem habe ich als Jugendlicher die Bücher von Walter Kempowski wie „Tadellöser und Wolff“ verschlungen. Manche Formulierungen kann ich noch heute auswendig. Deshalb freue ich mich, dass die Touristikkollegen im Landkreis Rotenburg (Wümme) ihm einen „Nordpfad“ rund um Haus Kreienhoop gewidmet haben. Dort gehe ich immer wieder gerne wandern und verbinde das mit einem Literaturevent auf dem alten Anwesen.

Ist die Region gut auf Fahrradtourismus eingestellt? Gibt es viele Fahrradverleihe? Kann man z.B. auch nur einen Teil der Strecke zurücklegen und das Fahrrad dort zurückgeben?

Tina Tönjes: Es gibt entlang der Strecke viele Fahrradverleiher und Reparaturservices. Einige davon bieten auch One-Way-Touren an. Hier sollte man sich im Vorfeld informieren und ggf. gleich ein Rad buchen. Ansonsten gibt es überall Anschluss an die Bahn und einige Busse. So kann man auch ganz bequem den Radweg in Teilstücken befahren und später wieder mit der Bahn nach Hause kommen. Auch die Alternativrouten bieten zum Beispiel eine Abkürzung oder einen interessanten Schlenker. Es lohnt sich also, sich vorher zu informieren und dann zu radeln.

 

Stand: Juni 2020